Gudrun Wegener ist Designerin, Buchautorin und Creative Coach aus Hamburg. Auf ihrem Blog „Achtung Designer“ erfährst du, wie du dir ein Design Business aufbaust, das dich kreativ, zufrieden und erfolgreich macht.
Für mich sah der entscheidende Moment so aus: Ein Kind zeigt mir seine neu gelernten Tricks, das zweite Kind versucht zeitgleich den heißen Backofen anzufassen, während das Essen auf dem Herd kocht und dann klingelt auch noch das Telefon und ein Kunde möchte genau in diesem Moment seine Grafiken besprechen.
Chaos! Totales Chaos! Und ich mal wieder mitten drin.
Spätestens an diesem Punkt war mir klar, dass ich offizielle Arbeitszeiten für mein Designbusiness brauche. Aber geht das denn überhaupt? Haben Freiberufler so etwas wie Öffnungszeiten?
Muss ich als Freiberufler immer erreichbar sein?
Der Gedanke hat für mich etwas sehr verlockendes: „Sie erreichen mich telefonisch täglich von 9.00 bis 13.00 Uhr. Weitere Termin nach Vereinbarung.“ Kein Handyklingeln, wenn man auf dem Weg zum Kindergarten ist. Nicht immer das Telefon im Auge zu haben, weil man eigentlich noch mit einen Anruf rechnet. Sondern entweder Arbeits-oder Familienzeit.
Aber ist das so etwas Besonderes? Jeder der schon mal versucht hat einen Termin beim Facharzt unter drei Monaten Wartezeit zu bekommen, weiß das es Berufszweige gibt, bei denen Öffnungszeiten Standard sind.
Warum dann nicht auch bei uns Freiberuflern?
Was hindert uns immer wieder daran einfach das umzusetzen, was alle anderen Unternehmer ganz selbstverständlich machen?
Vielleicht liegt es an der besonderen Arbeitsweise, die wir Freiberufler haben. Wir arbeiten zu keiner festen Zeit – das klassische 9-to-5-Modell ist für viele eher die Ausnahme. Und wir genießen es diese Freiheit zu haben. Aber müssen wir darum auch für unsere Auftraggeber zu jeder Zeit erreichbar sein?
Oder liegt es daran, dass Freiberufler häufig schrittweise starten und dann in die Vollzeit-Selbstständigkeit reinwachsen? Statt lang geplanter Eröffnung mit großer Ladenfläche, klappen viele Freiberufler den Laptop auf dem Küchentisch auf und legen einfach los. Erst wenn es läuft, kommen ein Platz im Gemeinschaftsbüro oder das eigene Büro dazu. Das hat natürlich auch großen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung und den Umgang mit den Kunden.
Das alles waren Punkte, über die ich mir ganz lange gar keine Gedanken gemacht habe. Wenn ich arbeite, dann bin ich auch erreichbar. So einfach war das, dachte ich. Heute mit zwei Kindern, denke ich da anders.
Das Problem mit den flexiblen Arbeitszeiten
Als Freiberufler sind wir in einer Sonderposition. Vor allem, wenn man nicht in einem Büro, sondern im Home Office arbeitet. Die klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Privatzeit oder Familienzeit gibt es nicht.
Wie oft setzt man sich dann abends doch noch mal hin und kalkuliert ein Angebot oder kümmert sich um die längst überfällige Buchhaltung? Viel zu oft. Und das ist auch okay, schließlich macht man es aus freien Stücken und für die eigene Selbstständigkeit. Alle diese kleinen und großen Aufgaben gehören zur Arbeitszeit und die teile ich mir selbst ein.
Trotzdem kann ich nicht für Kunden die ganze Zeit telefonisch erreichbar sein. Um Projekte zu besprechen, für die Beratung und Korrekturschleifen brauche ich Ruhe und Konzentration. Und die habe ich nicht, wenn ich Anrufe zwischen Sandkasten und Spielplatz beantworte. Überall nur halb zu sein, ist ein Nachteil für meine Kunden, meine Familie und für mich. Auf die Dauer ist das ein echtes Problem.
Öffnungszeiten für Freiberufler – Eine Anleitung
Feste Öffnungszeiten sind da die Lösung. Ein klar kommunizierter Zeitraum, in dem Kunden mich jederzeit erreichen können und in dem ich ohne Unterbrechung arbeite. So kommt mehr Struktur und Ordnung in den Arbeitstag.
Jetzt gilt es die Entscheidung für Öffnungszeiten auch an die Kunden zu kommunizieren. Schließlich habe ich keine Bürotür, an die ich einfach einen neuen Zettel mit den geänderten Öffnungszeiten kleben kann. Laufkundschaft habe ich als Designerin in dem Sinne ja nicht.
Hier sind ein paar Tipps für die Umstellung von Jederzeit zur Öffnungszeit:
- Zeiten festlegen
Jeder Freiberufler arbeitet anders. Sogar jeder Tag ist anders. Trotzdem gibt es Kernzeiten wie 9:00–14:00 Uhr, in denen man immer zu erreichen ist und die kann man als Öffnungszeiten festlegen. - Festes Datum
Gerade wenn man bis jetzt rund um die Uhr zu erreichen war, ist es für die Kunden eine echte Umstellung, wenn es plötzlich feste Zeiten für Telefonate und ungeplante Anfragen gibt. Leg ein festes Datum für den Start Deiner neuen Öffnungszeiten fest, zum Beispiel zum Ersten des nächsten Monats. - Klare Kommunikation
Je klarer und definitiver Du Deine neuen Öffnungszeiten kommunizierst, desto weniger wird diese Entscheidung in Frage gestellt. Schreib es auf Deine Website, vermerke es in Deiner E-Mail-Signatur, poste einen Hinweis über Deine Social-Media Kanäle und weise Kunden bei neuen Terminabsprachen darauf hin. - Deine Kommunikationskanäle
Skype, WhatsApp, Facebook Messenger, dazu Festnetz, Handy und E-Mail – Willst Du wirklich über so viele Kanäle für Deine Kunden erreichbar sein? Jetzt ist ein guter Moment, um auch Deine Kommunikationskanäle zu überdenken und Dir Deine Favoriten zusammenzustellen. - Halte Dich an Deine Vorgaben
Was Du von Deinen Kunden willst, musst Du natürlich auch selber machen. Wenn Du nachts noch E-Mails mit Anfragen raussendest, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich Kunden auch so spät mit Änderungen bei Dir melden. Besser ist es da, die nachts schon vorbereitete Mail, am nächsten Morgen rauszuschicken. So hältst Du Dich selbst an Deine Vorgaben. - Und was ist mit den Sonderfällen?
Nichts ist in Stein gemeißelt. Natürlich kannst Du auch in Zukunft Termine und Absprachen außerhalb Deiner Öffnungszeiten vereinbaren. Ziel der neuen Regelung ist es ja, dass Du strukturierter und fokussierter arbeiten kannst. Die Öffnungszeiten sollen Dir Deinen Arbeitstag leichter machen und nicht schwerer.
Fazit
Das feste Sprechzeiten den Arbeitstag gut strukturieren und es Dir und Deinen Kunden viel leichter machen den Tag zu planen, ist nicht neu. Eigentlich ist es logisch. Das so viele Freiberufler trotzdem darauf verzichten, hat viele verschiedene Ursachen.
Egal welches Deine Gründe sind, denk doch mal darüber nach, ob Dir Öffnungszeiten nicht vieles leichter machen. Gerade für Freiberufler mit Kindern kann es eine echte Erleichterung sein, wenn es eine feste Familienzeit gibt, in der das Telefon nicht klingelt. Das macht Deinen Kopf frei und gibt dir Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Und das ist für alle Freiberufler wichtig, egal ob mit oder ohne Kinder.
Toller Artikel – mal wieder! 😉 Und vor allem kam der grad zur rechten Zeit. Danke!
Sehr gerne, Lena! 🙂
Vielen Dank für diesen Artikel! Genau über diese Frage habe ich mir vor einer Weile Gedanken gemacht und war lange unsicher, ob ich es mir werde „erlauben können“, meine Erreichbarkeit so drastisch zu begrenzen. Entschied mich aber dafür, da ich mir dachte – aufgrund meiner gesundheitlichen Lage -, dass es nicht gut für mich ist, rund um die Uhr unter dem Druck zu stehen, „allzeit bereit“ sein zu müssen. Und dein Artikel bestätigt dies und gibt mir Sicherheit. Danke dafür!
Hallo Yvonne, schön, dass Dir der Beitrag von Gudrun weitergeholfen hat. Ich selbst kommuniziere meinen einzelnen Kunden von wann bis wann ich erreichbar bin oder eben nicht. Leider halten sich einige Kunden nicht daran und rufen dann auch bei mir an, während ich z. B. bei einem anderen Kunden sitze, obwohl sie das wissen. Hier muss ich wohl noch deutlicher sein. 🙂 Sandra
Toller Beitrag. Aber: Seit mehreren Jahren kommuniziere ich bei Kunden offen, dass ich von 8-17 Uhr erreichbar bin. Wenn ich zu anderen Zeiten im Büro bin, stelle ich gerade Arbeiten fertig oder bin in Terminen. Am heutigen Freitag habe ich bis 13 Uhr geöffnet. Dies hindert Kunden dennoch nicht an der Tür zu klingeln. Heute 4 Kunden, gerade um 19.30 Uhr der letzte. Ich finde das schon etwas bedrohlich.